2022 Château du Liebfrauenberg (FR)
Gottesdienst
Gottesdienst am 15.06.2022
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Predigt
Predigt beim 2022 KEP Konferenz Gottesdienst, Liebfrauenberg, Mittwoch, 15. Juni 2022
Text: Lukas, 12, 13-21 – Das Gleichnis vom reichen Kornbauer
‘Wenn es nur mir passieren würde!’
So, meine ich, wäre die instinktive Reaktion von vielen Geschäftsleuten, die solide Geschäfte machen wollen, wenn sie das heutige Evangelium hören.
‘Wenn es nur ich wäre an der Spitze einer Firma, die solche Gewinne wie der reiche Kornbauer im Gleichnis erzielt.’
Ist es denn nicht ein Geschäftsabenteuer, das im Text beschrieben wird?
Der Kornbauer schaffte ein Ergebnis, das die Firmenleitung gerne bei der jährlichen Aktionärsversammlung präsentieren würde und als höchst befriedigend bezeichnen würde. Gewinne, die so hoch sind, dass der Chef kaum weiss, was er damit machen soll.
Er hat soviel Geld verdient, dass seine Gewinne allen Grenzen sprengt.
Wäre der Kornbauer heute am Leben, wäre er offensichtlich ein Kandidat für irgendeine Auszeichnung für erfolgreiches Management.
Wieso denn applaudiert Jesus ihm nicht für seine Geschäfts-Skills? Wieso sagt er stattdessen, ‘Du Tor!’
Wir hören weder vom misshandelnden Management noch von Ausbeutung der Arbeiter. Was hat er denn gemacht, um diese dubiose Ehre zu bekommen, vom Herrn selbst als ‘Tor’ benannt zu werden?
Was ist an einem gesunden Geschäft und ökonomischen Gewinn falsch?
Was ist an finanzieller Sicherheit und Unabhängigkeit verkehrt?
Eine herausfordernde Frage, nicht nur an den reichen Kornbauern, sondern auch aus unterschiedlichen Perspektiven an uns alle.
Ich vermute, dass wir uns alle – wenigstens gelegentlich –mit dem Traum, es so zu machen wie der reiche Kornbauer, identifizieren können.
Dass auch wir sagen könnten: ‘Du hast einen Vorrat von Korn gespeichert, der genug ist für viele Jahre. Nimm das Leben gelassen; iss, trink und sei froh.’
Dass wir uns keine Sorgen mehr machen müssten um eine sichere Arbeitsstelle, eine Hypothek oder Schulden bei der Bank.
Ich glaube, dass die meisten von uns diesen Traum wiedererkennen können. Der Traum von Freiheit und Unabhängigkeit.
Der Traum, in der Lage zu sein – wie der reiche Kornbauer –, ausgerechnet so, wie wir es wünschen, zu leben, ohne irgendeine Limite: nur das, was wir wollen.
In Grunde ist das, meines Erachtens, der Traum von absoluter Befreiung von Verantwortung.
Es ist diese Freiheit, auf die sich der reichte Kornbauer freute.
Eine Freiheit, durch die er von nichts und niemand abhängig war, sondern absolut frei war zu entscheiden, was er wollte und wann er es wollte.
Und dann trifft ihn: ‘Du Tor! Noch in dieser Nacht fordert man deine Seele von dir zurück. Was du aber zurückgelegt hast wem wird es gehören?’
Die Antwort lautet offensichtlich, niemand!
Wieso? Weil im Kosmos des reichen Kornbauerns für niemand ausser sich selbst Platz war.
Er hat sich durch sein Geld in seine eigene Welt eingeschlossen, wo nur Raum für sich, für seine Sehnsüchte und Prioritäten war.
Ähnlich war es bei dem Mann in der Menge, was Jesus dazu veranlasste, dieses Gleichnis vom reichen Kornbauern zu erzählen.
Er ist gekommen, um Jesu Intervention in einem Erbstreit zu erbitten, den er mit seinem Bruder hatte.
Gewissermaßen glich seine Perspektive die des reichen Kornbauerns.
Auch er sah die Lage allein von seiner eigenen Perspektive und was er vom Leben wollte und was er für sich kriegen konnte.
Wenn Sie auf das eigene Recht pochen, lauert immer die Gefahr, in Ihre eigene Welt eingeschlossen zu werden.
Die Gefahr, andere und ihre Welten auszuschließen.
Letztendlich bleibt nur Raum für Sie übrig, für das, was Sie für sich haben und für sich selbst behalten wollen.
‘Seht euch vor und hütet euch vor jeder Art Habgier! Denn auch dem, der im Überfluss lebt, wächst sein Leben nicht aus dem Besitz zu’.
So lautet die Antwort Jesu sowohl an den Mann, der auf sein Recht in einem Erbstreit pocht, als auch an den reichen Kornbauern und seine Selbstsuffizienz mitten in seinem Reichtum, aber auch an uns, wann auch immer wir versuchen, uns von der Abhängigkeit an andere sowie der Verantwortung für andere zu befreien.
Auf diese Weise stellt er das Freiheitsverständnis des reichen Kornbauerns und von uns auf den Kopf.
Während der reiche Kornbauer von Freiheit als Unabhängigkeit und Freiheit von anderen und in der Lage zu sein, nur das zu machen, was er will, träumt, behauptet Jesus, dass das echte Leben und die echte Freiheit nur in unseren Beziehungen zu finden ist. In Gemeinschaft mit anderen, mit anderen verbunden.
Diese Behauptung stimmt, meiner Meinung nach, weil Gott selbst eine Gemeinschaft ist.
Weil Gott im Grunde heisst, ‘in Beziehung sein’. Und wenn wir das Wort ‘Gott’ gebrauchen, reden wir von dem, was in unserem Leben am grundlegendsten ist, elementar.
Deswegen ist alles Menschenleben – als Teil von Gottes Geschichte – fundamental in Beziehung zu sein.
Deswegen ist die einzige Freiheit, in der wir wahres Leben und wahre Freude finden können, die Freiheit, die uns zueinander in gegenseitiger Abhängigkeit und Wahrnehmung von unserer geteilten Menschlichkeit verbindet.
Wir können nur als Teil einer Gemeinschaft wir selbst sein.
Nur durch unsere gegenseitige Abhängigkeit gewinnt das Leben seine echte Tiefe und Fülle.
Der reiche Kornbauer in uns protestiert und behauptet, die zentrale Person in unserem Leben sind wir selbst.
Und das christliche Evangelium erinnert uns ständig daran, dass dies nicht so ist und weist uns zu einer anderen Perspektive:
Dass unser Leben nicht etwas ist, das wir durch uns selber haben oder bewahren können.
Dass wir Selbstsuffizienz oder Ignorieren von anderen und ihren Bedürfnissen rechtfertigen können.
Dass wir es unter keinen Umständen rechtfertigen können, andere Menschen ausschliesslich als Instrumente der Erfüllung unserer Ziele zu reduzieren – ob in den politischen, finanziellen oder persönlichen Bereichen unseres Lebens.
Vor allem bedeutet es, dass wir nie auf uns allein gestellt sind bei der Erschaffung unseres Lebens und der Entdeckung seines Sinnes und seiner Erfüllung.
Dieser Sinn und diese Erfüllung sind vor allem eine freie, unverdiente Gabe – von anderen und durch sie – von ihm, der in unserer Taufe und in jedem Tag unseres Lebens sagt, ‚sei gewiss, ich bin bei dir immer, bis zum Ende der Zeit.’
Amen